Das Nachrichtenportal für Neumarkt/OPf.
Samstag, 18.05.2024 / 08:10:31 Uhr
Neumarkt/OPf.

11° C

 Nachrichten / Überregional

DGB: Zwei Jahre Corona und Ukraine - was bedeutet das für die Betriebe in der Region?

12.03.2022 Regensburg / Oberpfalz.

Die Pandemie hat unserer Gesellschaft erhebliche Veränderungen aufgezwungen, die auch unsere gewohnten Lebens- und Arbeitsformen betreffen. Hinzu kommen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, die auch in den Betrieben in Regensburg und Umgebung ihre Spuren hinterlassen. Auch für die Gewerkschaften und die Beschäftigten in der Oberpfalz bedeutet das eine große Herausforderung.

Die Herausforderungen für die Gewerkschaften sind groß. Denn die Corona-Pandemie beschäftigt die Betriebe nach zwei Jahren nach wie vor enorm. Der Lockdown zur Bekämpfung der Pandemie und die weltweite Unterbrechung der Lieferketten führten zu einer massiven Schrumpfung der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Die ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Pandemie und des Krieges sind jedoch nicht für alle gleich – die soziale Ungleichheit nimmt zu.

Krieg verschärft Ungleichheit

Nicht nur in Regensburg und der Oberpfalz blicken der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften mit großer Sorge auf die Entwicklungen in der Ukraine: „Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Krieg, den Russlands Präsident Putin gegen sein Nachbarland vom Zaun gebrochen hat, und fordern die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen.“ so DGB Regionsgeschäftsführer Christian Dietl. Sich für ein friedliches Miteinander der Nationen einzusetzen, sei historische Verantwortung der Arbeitnehmerorganisationen: „Während die Mächtigen profitiert haben, mussten die Lohnabhängigen stets die Opfer bringen.“ kritisiert Dietl.

„Minijobs“ verdrängen sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse

Das beträfe besonders Beschäftigte in Minijobs. Die von der Regierungskoalition beschlossene Anhebung der Minijobgrenze von 450€ auf 520€ wird vom Deutschen Gewerkschaftsbund heftig kritisiert. „Dadurch wird ein Anreiz gesetzt, dass noch mehr reguläre Arbeitsplätze in prekäre Minijobs umgewandelt werden. Das ist falsch und unsozial“, so der Oberpfälzer DGB-Chef Dietl.
Besonders in Kleinbetrieben verdrängen Minijobs sozialversicherte Beschäftigungsverhältnisse. So waren Ende Juni 2021 in der Stadt WEN (Landkreis NEW) in kleinen Betrieben mit unter 10 Beschäftigten 38,3 (45,3) Prozent der Beschäftigungsverhältnisse Minijobs. Über alle Betriebsgrößen hinweg waren es 21,0 (19,3) Prozent. In größeren Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten waren hingegen nur 21,1 (1,7) Prozent der Beschäftigungsverhältnisse geringfügig entlohnt. Insgesamt gab es in der Stadt WEN (im Landkreis NEW) 28.653 (32.571) sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und 7.659 (7.825) Minijobs. Das geht aus einer Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit für den Deutschen Gewerkschaftsbund hervor.
Minijobs sind kein Sprungbrett, sondern für viele Menschen eine berufliche Sackgasse, vor allem in kleineren Unternehmen. „Wer in einem Minijob arbeitet, erhält kein Arbeitslosengeld, kein Krankengeld, kein Kurzarbeitergeld und ohne optionale Rentenversicherung auch keine Altersbezüge. Diese Art von Jobs kann man nicht reformieren, die kann man nur abschaffen.“ sagt Christian Dietl, DGB Regionsgeschäftsführer Oberpfalz.
 
IG BCE: Betriebsschließungen und Kurzarbeit

Im Zuständigkeitsbereich der IGBCE Bezirk Kelheim-Zwiesel hat sich die Lage der Betriebe auch im vergangenen Jahr sehr unterschiedlich entwickelt. „Von Betriebsschließungen über Kurzarbeit bis zum Aufbau neuer Kapazitäten war alles Denkbare enthalten“, so Gewerkschaftssekretärin Vera Dražan. Auch gäbe es Probleme mit Lieferengpässen, die teilweise zu Produktionsausfällen bei einigen Betrieben geführt hätten.„Die Betriebsräte hatten alle Hände voll zu tun ihren betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben nachzukommen, nicht zuletzt hinsichtlich der wechselnden Corona-Auflagen. Auch die angelaufenen Betriebsratswahlen fordern Wahlvorstände und Gremien - zumal das Wahlrecht durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz 2021 verschiedene Änderungen erfahren hat“, so Dražan.

Die Herausforderungen für Betriebe und die betrieblichen Interessenvertretungen durch die Pandemie, Lieferengpässe, die Transformation und Home-Office usw. nehmen zu. Das weiß auch Udo Fechtner von der IG Metall. „Geschlossene Kitas, Home Office und Mobile Arbeit sind eine große Herausforderung für unsere Beschäftigten.“

IG Metall Amberg: Gemischte Bilanz

Generell könne man aber in der IG Metall eine gemischte Bilanz ziehen, so Udo Fechtner, 2. Bevollmächtigter der IG Metall in Amberg. Spätestens ab Jahresbeginn 2021 hätte in der Industrie, bis auf wenige Ausnahmen, Kurzarbeit keine Rolle mehr gespielt. „Die Auftragslage in der nördlichen Oberpfalz ist meistens hervorragend. Neue Beschäftigte auch im angelernten Bereich werden händeringend gesucht“, so Fechtner. „Viele Unternehmen stellen wieder unbefristet ein und werben mit der Tarifbindung und damit mit Tarifentgelten als Vorteil gegenüber anderen Firmen.“

IG Metall Regensburg: Volle Auftragsbücher-keine Teile!

Für Jürgen Scholz, 1.Bevollmächtigter der IG Metall Regensburg, gab es in den beiden zurückliegenden Krisenjahren neben der Gewährleistung des Gesundheitsschutzes in den Betrieben zwei herausragende Erfolge der gemeinsamen Arbeit von IG Metall und Betriebsräten. So ist es erstens gelungen betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern und zweitens das Instrument der Kurzarbeit weiterzuentwickeln und zu verbessern: „Es konnten für über 45.000 Beschäftigte in der Region Aufzahlungen zum Kurzarbeitergeld vereinbart werden“, zeigt Scholz sich zufrieden. Das habe die wirtschaftlichen Einschnitte für die Beschäftigten in den Betrieben der IG Metall deutlich erträglicher gemacht. Die Situation seit Herbst letzten Jahres sei geprägt von hohen Auftragsbeständen einerseits und massiven Lieferschwierigkeiten andererseits. „Trotz voller Auftragsbücher nicht produzieren zu können, weil Teile fehlen, zeigt die Anfälligkeit internationaler Lieferketten!“, bemängelt Scholz und mahnt Unternehmen zugleich, die weltweiten Vergabepraktiken zu überdenken. Auch wenn das Leid der betroffenen Menschen in der Ukraine im Vordergrund steht, geht Scholz davon aus, dass sich die kurz- und langfristigen Folgen auch für unsere Industrie noch verschärfen werden.

IG BAU: Volle Auftragsbücher

Sehr eindeutig sind die Einschätzungen bei der Gewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt. Wie schon im Vorjahr ist die Corona-Pandemie am Bauhauptgewerbe vorbeigegangen. Die Auftragsbücher sind voll, es herrscht Vollbeschäftigung und Fachkräfte werden händeringend gesucht. Bereits in den Vorjahren wurde von den Betriebsräten Betriebsvereinbarungen über Einzelzimmerunterbringung auf den Baustellen und Home-Office für die administrativen Bereiche abgeschlossen. „Engagierte Betriebsräte erreichen zusammen mit ihrer Gewerkschaft vieles im Sinne der Beschäftigten“, so Heike Stoffels, Gewerkschaftssekretärin bei der IG BAU. „Die Tarifverhandlungen im Bauhauptgewerbe wurden von Aktionen auf Baustellen begleitet. Die Unterstützung zahlreicher Betriebsräte und Arbeitnehmer hat bewirkt, dass es eine Einigung gibt. Es gibt nicht nur Lohn- und Gehaltserhöhungen, sondern auch eine Entschädigung für die Zeit, die die Kolleg*innen als Beifahrer zur Baustelle im Bulli unterwegs sind“, so Stoffels.

ver.di: Tarifrunden als Herausforderung

Für einen guten Tarifabschluss kämpfen derzeit auch die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bei ver.di. „Die Arbeitsbelastung im Bereich des Gesundheitsdienstes (z. B. Gesundheitsämter/Landratsämter) oder des Sozial- und Erziehungsdienstes ist bei den Kolleginnen und Kollegen beispielsweise in den Kindertagesstätten dramatisch“, so Alexander Gröbner, Geschäftsführer von ver.di Oberpfalz. „Beschäftigte in den Krankenhäusern arbeiten bis an ihre Belastungsgrenze und teilweise darüber hinaus, auch Verkäuferinnen im Lebensmittelhandel und Supermärkten sind nach wie vor im unermüdlichen Einsatz für die Menschen dieses Landes.“ Der politischen Forderung nach Aufstockungsleistungen beim Bezug von Kurzarbeitergeld konnten im öffentlichen Dienst Aufstockungsleistungen auf 90 bzw. 95 % des bisherigen Verdienstes tarifvertraglich vereinbart werden.

„Mit Phantasie, Kreativität und Durchsetzungsbereitschaft der Beschäftigten konnten vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen respektable Tarifabschlüsse für die Arbeitnehmer*innen erreicht werden“, so Gröbner. Ärgerlich bleibe aber, dass Gesellschaft und Arbeitgeber zwar grundsätzlich öffentlich „Beifall klatschen“. Wenn es jedoch um die finanzielle Anerkennung der Leistung der Beschäftigten ginge, sind sie aus der Perspektive der Arbeitgeber wieder nur „Kostenfaktoren“ und Gehaltsforderungen usw. sind aus ihrem Blickwinkel zu hoch, ungerechtfertigt oder übertrieben.

Sorgen bereitet der Gewerkschaft ver.di nach wie vor der kulturelle und künstlerische Bereich, da die Auftragslage insbesondere in den jeweiligen Pandemiewellen mit den hierzu erlassenen Infektionsschutzmaßnahmen völlig eingebrochen ist - mit wesentlichen Auswirkungen für die Beschäftigten. „Staatliche Hilfen (im Kulturbereich oder für Solo-Selbständige) sind ausbaufähig“, so Gröbner.

« zurück


Diese Themen könnten Sie auch interessieren: