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IHK-Konjunkturbericht Herbst meldet stabile Lage und negative Prognose

26.10.2022 Regensburg.

Noch zeigt sich die regionale Konjunktur einigermaßen robust. „Die Unternehmen kommen aus einem guten Sommer und arbeiten bestehende Puffer und Aufträge ab. Die Politik verkennt jedoch den Ernst der Lage in der Wirtschaft. Denn gleichzeitig sind die Erwartungen der Firmen an die kommenden Monate so schlecht wie nie zuvor“, stellt IHK-Präsident Michael Matt mit Blick auf die Konjunkturumfrage im Herbst bei 280 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen aller Größen in der Oberpfalz und dem Landkreis Kelheim fest. „Aufgrund von Wirtschaftshemmnissen, Versorgungsengpässen und explodierenden Preisen in Kombination mit inflationsbedingt mangelnder Konsumlaune haben die Betriebe keinen Planungshorizont. Darüber hinaus fehlt aufgrund der exorbitanten Kostenbelastung bei Energie und Rohstoffen der finanzielle Spielraum für Investitionen“, so Matt weiter. „All das geht auf Kosten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und kann schlimmstenfalls zu Betriebsverlagerungen und Insolvenzen führen.“

Mit Ausnahme des Tourismus bewegt sich die Geschäftslage der Branchen aktuell im deutlich positiven Bereich. In der Bauwirtschaft lassen Auftragsreserven und kurzfristige Aufträge die Beurteilungen sogar leicht ansteigen. Auch wenn der Auftragsbestand in der Industrie leicht rückläufig ist, die Zahlen sind vergleichbar mit der Situation vor der Pandemie 2019. Bei einigen Rohstoffen wie etwa den Kunststoffen haben sich die Preise in den letzten Monaten etwas entspannt. Bereits jetzt schlagen vor allem die Erhöhungen der Energiepreise bei den Betrieben durch. Umsatzrückgänge melden vor allem Dienstleister, deren Auftraggeber aus der Industrie aufgrund der gegenwärtigen Planungsunsicherheit zurückhaltend bleiben.

Mehr Forderungsausfälle

Der Anteil der Unternehmen, die über Forderungsausfälle bei Kunden und Lieferanten berichten, hat sich gegenüber dem Frühjahr um 5 Punkte auf 25 Prozent erhöht. Deutlich gestiegen sind die Befürchtungen, dass die Preissteigerungen in den nächsten Monaten zu verstärkten Zahlungsausfällen führen werden. Erste Anzeichen dazu liefern auch die Angaben zum aktuellen Liquiditätsstatus, den immer mehr Unternehmen nur noch mit „befriedigend“ bewerten. „Nicht nur die steigenden Material- und Energiepreise, sondern auch die verzögerte Auslieferung von Waren, die wegen fehlender Teile nicht abgerechnet und ausgeliefert werden können, schmälern die Liquidität unserer Unternehmen“, stellt Matt fest. Der Zugang zu Fremdkapital hat sich nach Angaben der Befragten im Vergleich zu den Vorumfragen nicht verschlechtert, allerdings seien die Zinskosten gestiegen.

Auslandsgeschäft schwächelt

Im Export zeigt sich eine schwächelnde Weltkonjunktur. Auftragszuwächse konnten nur in Süd- und Mittelamerika sowie in Asien – ohne China – erzielt werden. Erstmals seit langem fließen Wechselkursrisiken wieder mehr in die Entscheidungen der Einkaufsabteilungen ein. Sie erschweren das Importgeschäft und rücken daher bei jedem zweiten Unternehmen die Eurozone verstärkt als Beschaffungsmarkt in den Fokus. Der schwache Euro treibt zudem die Energiepreise in die Höhe.

Schlechte Aussichten

Die Erwartungen für die nächsten Monate liegen in allen Branchen auf einem Allzeit-Tief. Nur neun Prozent der Befragten blicken noch optimistisch in das neue Jahr. „Insbesondere bei Handel und Tourismus macht sich Pessimismus breit, zum einen aufgrund der Zurückhaltung bei den Verbrauchern, zum anderen, weil vonseiten der Politik neue Corona-Maßnahmen im Raum stehen“, fügt IHK-Präsident Michael Matt an. „Aufgrund der vergleichsweise hohen Energiekosten ist die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland bereits länger gefährdet, nun befürchten besonders die energieintensiven Unternehmen eine De-Industrialisierung.“ Eine große Herausforderung für die heimischen Betriebe bleiben die instabilen Lieferketten. Mit einer Verbesserung bei der Versorgung mit relevanten Rohstoffen, Vorprodukten und Waren rechnet ein Viertel im kommenden Jahr, 29 Prozent sehen eine Beruhigung erst ab 2024. Die Umfrageteilnehmer kritisieren insbesondere die fehlenden politischen Entscheidungen zur Lösung der Energiekrise und die mangelnde Unterstützung des heimischen Mittelstandes. Zum Jahresende anstehende Entscheidungen können von den Betrieben aufgrund der Planungsunsicherheit nicht getroffen werden.

Was die Politik tun könnte?

„Angesichts der explodierenden Rohstoff- und Energiekosten muss man fast schon fatalistisch sagen, Augen zu und durch“, stellt auch Stephan K. Fischer von der Fischer Licht & Metall GmbH & Co. KG aus Mühlhausen im Landkreis Neumarkt fest, der Vorsitzender des IHK-Industrieausschusses ist. Gegensteuern könnten Unternehmen derzeit eigentlich nur, wenn sie konsequent in die Eigenversorgung investieren. Auch Fischer installiert gerade eine weitere PV-Anlage für seinen betriebsinternen Energiemix. Die Politik dürfe angesichts ihrer für die Unternehmen schwer planbaren Krisenpolitik eine bedeutende Tatsache nicht vergessen: „Ostbayerns Wohlstand wurde in den letzten Jahrzehnten maßgeblich von den Industrieunternehmen geschaffen.“ Als überlebenswichtig bezeichnet Fischer für die Industrie im ländlichen Raum dabei die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal. Mit Blick auf die Inflation treibt ihn vor allem das Thema Wohnraum für Mitarbeiter um. „Die Politik muss auch im ländlichen Raum jetzt massiv in die Wohnraumförderung investieren“, fordert Fischer. Auch auf dem Land könne sich nicht mehr jeder Mensch ein Einfamilienhaus leisten. Deshalb sollte die Politik auf dem Land – so wie man das aus den Ballungszentren bereits kenne – den Geschosswohnungsbau sowie die Themen Mieten und Soziale Wohnraumförderung an die oberste Stelle auf ihrer Agenda setzen.

Weitere Ergebnisse kurz und kompakt

    •    71 Prozent aller regionalen Unternehmen sind auf Gasversorgung angewiesen.
    •    Vier von zehn Betrieben sind ohne Möglichkeit für Absicherungsmaßnahmen im Falle einer Gasdrosselung.
    •    Lieferschwierigkeiten von Waren und Rohstoffen zwingen ein Drittel zur Angebotsreduktion.
    •    Die vollständige Weitergabe der Preis- und Kostensteigerungen auf dem Markt ist nur für 30 Prozent der Befragten möglich.
    •    Infektionsbedingt ausfallende Mitarbeitende hemmen bei 30 Prozent der Befragten das Geschäft.

Blick in die Branchen

Industrie

    •    52 Prozent mit guter Geschäftslage, Bestand an Fertigwaren steigt erneut
    •    Lage im Maschinenbau positiver als bei Fahrzeugbau und Elektrotechnik
    •    Rückgang des Auftragseingangs bei einem Drittel spürbar, vor allem Inland schwächelt
    •    Export: Wettbewerb mit Unternehmen außerhalb der EU steigt deutlich
    •    Erhöhte Lagerhaltung bei 91 Prozent als Maßnahme gegen Lieferschwierigkeiten, Produktion verzögert
    •    Investitionsgüterproduzenten melden schlechteste Konjunkturaussichten, gefolgt von Ge- und Verbrauchsgüterproduzenten

Bauwirtschaft

    •    57 Prozent mit „guter“, 33 Prozent mit „befriedigender“ Geschäftslage
    •    Weiterhin stark angestiegene Kosten im Materialeinkauf und bei Personal
    •    Erste Spaltung der Branche erkennbar: 68 Prozent mit Vollauslastung stehen 18 Prozent mit Unterauslastung gegenüber
    •    Öffentliche Investitionstätigkeit: 30 Prozent melden Auftragsrückgang
    •    Auftragsstornierungen als wirtschaftliches Risiko, aktuell meldet jedes fünfte Unternehmen Nachfrageausfälle
    •    Azubis gesucht: 60 Prozent finden keinen Nachwuchs

Handel

    •    Lage im Einzelhandel und Großhandel auf Frühjahrsniveau, Umsatzanstieg gestoppt
    •    Erhöhte Lagerhaltung als Maßnahme gegen Lieferschwierigkeiten: Vier von zehn Einzelhändler mit höherem Warenbestand
    •    68 Prozent der Betriebe auf Gasversorgung angewiesen, die Hälfte davon kann zusätzliche Gaseinsparmaßnahmen schwer umsetzen
    •    Im Falle einer Gasdrosselung: 20 Prozent planen Reduzierung des Geschäftsbetriebs
    •    Kaufkraftverluste aufgrund der Inflation und abwartendes Kaufverhalten der Kunden befürchtet: Einzelhandelserwartungen im Saldo deutlich negativer als im Großhandel

Dienstleistungen für Unternehmen

    •    Eintrübung: Ein Viertel der Dienstleister spürt erste Schwankungen in der Konjunktur an Umsatzrückgang, gleichzeitig kann ein Drittel die erhöhte Nachfrage nicht bedienen
    •    Risikofaktor Energie- und Rohstoffpreise steigt innerhalb eines Jahres um 20 Punkte auf 64 Prozent
    •    Planung von Preissteigerungen aufgrund von Kostenerhöhung: 27 Prozent müssen vollständig, 48 Prozent teilweise auf Kunden überwälzen
    •    Beschäftigungspläne bleiben im positiven Bereich, ausfallende Beschäftigte durch Krankheit oder Quarantäne
    •    Auslastungserwartung: Hälfte der Betriebe setzt auf gleichbleibende Beschäftigung

Tourismus

    •    Erholungsphase seit Pandemiebeginn bis Herbst anhaltend, 30 Prozent mit guter Geschäftslage. Beherbergungsgewerbe positiver als Gastronomie
    •    Kostenerhöhungen: Ein Drittel mit schlechtem Liquiditätsstatus zum 30. September, Anstieg gegenüber der Vorumfrage um 10 Prozentpunkte
    •    Nach Industrie mit 59 Prozent zweithöchste Abhängigkeit von Gas
    •    Reisebranche mit bester Lagebeurteilung seit 2020, befürchtete Sparmaßnahmen der Kunden lassen Erwartungen einbrechen
    •    Drohende Konjunkturschwäche dämpft Beschäftigungsabsichten

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