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Neuorganisation des Hebammensystems gefährdet die Versorgungsqualität

05.05.2017 Neumarkt.

Die aktuellen Pläne des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) zur Neuorganisation des Hebammensystems gefährdet die Versorgungsqualität in Bayern. Und der Landkreis Neumarkt i.d.OPf. ist besonders davon betroffen. 
 
Durch gesundheitspolitische Rahmenbedingungen waren in den letzten Jahren viele Kliniken - vor allem jene mit geringen Geburtenzahlen - gezwungen, ihre angestellten Hebammen in ein freiberufliches Beleghebammensystem zu überführen. Somit konnten Personalaufwandskosten und die Übernahme der Berufshaftpflichtprämien eingespart und eine Schließung kleinerer geburtshilflicher Abteilungen vermieden werden. Für die freiberuflich tätigen Beleghebammen anfangs eine attraktive Struktur, waren sie doch damit in der Lage, selb-ständig den Arbeitsumfang zu regeln. Vor allem in Bayern, anders als im Rest Deutschlands, führte es dazu, dass die geburtshilfliche Versorgung heute größtenteils mit Beleghebammen abdeckt ist. Einer Statusabfrage des Bayerischen Hebammenlandesverbandes zufolge arbeiten von 109 Kliniken 78 mit Beleghebammen zusammen. Mehr als 60 % der bayerischen Geburten werden von Beleghebammen betreut. Ein anerkanntes System, das sich auch am Klinikum Neumarkt seit über 10 Jahren bewährt hat.
 
Seit Jahren werden vom Deutschen Hebammenverband bei Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband bessere Arbeitsbedingungen für angestellte Hebammen und eine angemessene Vergütung für Beleghebammen gefordert. Die Betreuung von mehreren Frauen gleichzeitig, unabhängig von Betreuungsaufwand und Betreuungsdauer, ist im Angestelltenverhältnis noch immer an der Tagesordnung. Daneben stellt sich das Beleghebammensystem zunehmend unwirtschaftlicher dar. Eine flächendeckende Versorgung der Schwangeren ist seit einigen Jahren durch den stetig wachsenden Hebammenmangel in ganz Deutschland vielerorts nicht mehr möglich. Gleichermaßen verhält es sich mit der gesetzlich verankerten Wahlfreiheit der Schwangeren hinsichtlich des Geburtsortes.
 
Nun fordert der GKV-Spitzenverband eine Veränderung der Organisationsstruktur bei den freiberuflichen Beleghebammen. Die Versorgung der Schwangeren in Bayern könnte das massiv beeinflussen. Zum einen sollen Beleghebammen, die im Rahmen eines Schichtdienstes in der Klinik tätig sind, nur mehr maximal zwei Frauen gleichzeitig betreuen dürfen. Dies hätte zur Folge, dass eine dritte Frau, unabhängig davon, ob es sich um eine bevorstehende Geburt handelt oder nur um Beschwerden in der Schwangerschaft, zwar betreut werden kann, die Leistungen jedoch nicht mit der Krankenkasse abgerechnet werden dürfen. Zum anderen sollen Beleghebammen, die nicht im Schichtdienst arbeiten und stattdessen mit ihren Frauen zur Geburt in die Klinik kommen, ihre geburtshilflichen Leistungen in Zukunft nur mit den Kassen abrechnen können , wenn sie die Gebärende bereits einen gewissen Zeitraum im Vorfeld der Geburt betreut haben. Daraus resultierend wäre eine Vertretung oder kurzfristige Übernahme durch eine andere Hebamme, beispielsweise bei überlanger Geburtsdauer oder Erkrankung der Hebamme nicht mehr möglich und auch nicht abrechenbar. 
 
Der GKV-Spitzenverband begründet diese Forderungen mit einer Verbesserung der Betreuungsqualität. Die Hebammen sind sich einig, wie erstrebenswert es für eine bessere Versorgung der Gebärenden wäre, nicht mehr als zwei Frauen gleichzeitig zu betreuen. Nur lässt sich dieses Modell durch den bestehenden Hebammenmangel leider nicht umsetzen. Für die Beleghebammen stellt sich außerdem die Frage, warum diese Qualitätsstandards nur von ihnen gefordert werden, während die Entwicklungen der letzten Jahre Hebammenkolleginnen im Angestelltenverhältnis dazu zwingen, immer mehr Frauen gleichzeitig zu betreuen. Kerstin Hartmann, Sprecherin der Beleghebammen am Klinikum Neumarkt, stellt drei konkrete Fragen: 
 
„Wer betreut, den Forderungen des GKV-Spitzenverbandes entsprechend, die dritte Frau, die vor der Kreißsaaltür steht, wenn es keine Kollegin mehr gibt, die hierfür zusätzlich in den Dienst eingeteilt werden könnte?
 
Müssen diese Frauen womöglich dann eine andere Klinik aufsuchen, die unter Umständen auch  keine Aufnahmekapazität mehr hat? 
 
Müssen die Kliniken unter Umständen ihre freiberuflichen Hebammen wieder anstellen, was zum einen aufgrund gesundheitsökonomischer Aspekte für viele Kliniken gar nicht mehr möglich ist und zum anderen durch veränderte Dienstmodelle im Angestelltenverhältnis hierfür mehr Hebammen benötigt werden, die es aber auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gibt?“
 
Nachdem es bis jetzt zu keiner Einigung zwischen den Hebammenverbänden und dem GKV-Spitzenverband kam, werden am 19. Mai vor einer Schiedsstelle die Neuordnungen der Arbeitsorganisation freiberuflicher Hebammen und die Höhe ihrer Vergütung verhandelt.
 
Klinikvorstand Peter Weymayr unterstützt zusammen mit Landrat Willibald Gailler und Oberbürgermeister Thomas Thumann den Standpunkt des Deutschen Hebammenverbandes und der Neumarkter Beleghebammen. „So wünschenswert ein besseres Betreuungsverhältnis von Hebammen zu Gebärenden wäre, es zielt völlig an der Realität vorbei. Woher sollen die zusätzlich notwendigen Hebammen denn kommen? Auf diese Weise wird ein bewährtes System in Frage gestellt und die Versorgungsqualität für Schwangere im Landkreis Neumarkt nimmt ab. Das muss unter allen Umständen vermieden werden.“
 
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