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Keine Zukunft ohne globale Zusammenarbeit

19.04.2024 Regensburg.

Die Unternehmensvertreter der IHK-Vollversammlung sprachen sich für Demokratie, Vielfalt und internationale Zusammenarbeit aus. Wachstum und Wohlstand seien künftig nur möglich, wenn der Standort Deutschland am Weltmarkt attraktiv bleibe.

Die Botschaft der IHK-Vollversammlung am Mittwoch war klar: Die ostbayerische Wirtschaft positioniert sich für kulturelle Vielfalt und Demokratie. „Globale Zusammenarbeit, Multikulturalität und Toleranz sind zentrale Werte unseres gesamten deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells“, betonte Michael Matt, Präsident der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim. „Die aktuelle gesellschaftliche Polarisierung verfolgen wir mit großer Sorge. Rechtsextreme Tendenzen beschädigen das Image unseres Wirtschaftsstandorts und damit auch unsere Wettbewerbsfähigkeit.“

Mit einer Exportquote von 53 Prozent macht die starke Industrie in der Region mehr als die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland. Jeder zweite Arbeitsplatz dort hänge direkt von internationalen Handelsbeziehungen ab, erläuterte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes. Jedem müsse bewusst sein, dass Wachstum und Wohlstand nur möglich seien, wenn der Standort Deutschland auch künftig am Weltmarkt attraktiv sei – sowohl für ausländische Investoren als auch für qualifizierte Zuwanderung. Um diese Attraktivität aber bangen die Betriebe. In aktuellen IHK-Umfragen werden die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen mittlerweile als größtes Geschäftsrisiko eingestuft.

Wettbewerbsfähigkeit schwindet

Deutschlands Wirtschaft schrumpfte 2023 um 0,3 Prozent, so schlecht schnitt kein anderes großes Industrieland ab. Deshalb haben die vier Spitzenorganisationen der Wirtschaft DIHK, BDI, BDA und ZdH bereits im Januar in einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz dringende Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit angemahnt. Eine offizielle Antwort aus Berlin blieb bisher aus. Ein gemeinsames Kanzlergespräch, das kürzlich stattfand, brachte trotz unterschiedlicher Vorstellungen über das Ausmaß der wirtschaftspolitischen Herausforderungen zumindest diplomatische Fortschritte.

„Was die Unternehmen erleben, sind Steuerbelastungen auf Rekordhöhe, anhaltend hohe Energiepreise und eine Bürokratie, die ihresgleichen sucht“, sagte IHK-Präsident Matt. Wer keine passenden Antworten auf die tiefgreifenden strukturellen Probleme im Land habe, solle die Expertise der Wirtschaft ernst nehmen, forderte er. Die Regierung müsse endlich eine nachhaltige wirtschaftspolitische Strategie aufsetzen, um die Zukunftsfähigkeit des Standorts nicht länger zu riskieren und den Vertrauensverlust bei den Firmen wieder wettzumachen.

Spaltung Europas verhindern

Nicht nur hierzulande stottert der Wirtschaftsmotor. Mit nur 0,9 Prozent Wirtschaftswachstum rechnet die EU-Kommission 2024 für ganz Europa. Als größter Binnenmarkt weltweit sieht sich die EU vor den Europawahlen im Juni mit vielfältigen, oft hausgemachten Herausforderungen konfrontiert. Der virtuell zugeschaltete Partei- und Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) Manfred Weber zeigte sich dennoch sicher: „Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, europäisch zu denken!“ Das gelte mit Blick auf die zahlreichen geopolitischen Konflikte auch bei einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie. Die Wahl im Juni sei historisch, um den Zusammenhalt in Europa zu bewahren. Frieden und Wohlstand zu sichern, seien zentrale Themen der neuen Legislaturperiode. Brüssel habe den Reformbedarf bei Energie- und Kapitalmarktfragen oder in Forschung und Entwicklung erkannt. Die Politik gebe den Rahmen vor, schlussendlich solle aber der Markt laut Weber dafür sorgen, dass die Unternehmen Innovationen und Lösungen entwickeln.

Für die Wirtschaft stünden Bürokratieabbau und Energiethemen klar im Fokus, um die zuletzt schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln, sagte IHK-Chef Helmes. „Stimmen die Rahmenbedingungen, um pragmatisch über Grenzen hinweg wirtschaften zu können, erhöhen sich auch die Wettbewerbs- und Widerstandsfähigkeit. Innovationen und Investitionen folgen.“ Geschwindigkeit und eine wirtschaftsfreundliche Politik seien unverzichtbar, um als europäischer Binnenmarkt zwischen den großen Wirtschaftsmächten in Asien und Amerika bestehen zu können. IHK-Präsident Matt appellierte daher, in den Unternehmen für die Europawahl zu werben.

Blick zum Nachbarn und in die Welt

Einen weiteren Einblick in die weltweite Wirtschaft zeigten Patrick Brandmaier, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen IHK, und Leonie Yang, General Manager beim German Trade Office Taipei. Während Deutschland mit einem Reformstau ringt, erlebt Frankreich aufgrund positiver Impulse seitens der Regierung ein solides Wachstum und ist für aus- und inländische Investoren attraktiv. Deutschlands Wirtschaft war 2023 sogar größter Direktinvestor im Nachbarland. Der Fortschritt von Handelsabkommen wie MERCOSUR oder CETA, die seitens Frankreichs stocken, und die bevorstehenden Europawahlen hingen eng zusammen und seien stark innenpolitisch geprägt, sagte Brandmaier. Ein Erstarken der Rechtsaußen-Parteien würde die europäische und globale Zusammenarbeit negativ beeinflussen.

Währenddessen hängt der China-Taiwan-Konflikt wie ein Damoklesschwert über den globalen Handelsbeziehungen. Eine Eskalation hätte für die Wirtschaft drastische Folgen, denn die Abhängigkeit von Computerchips aus Asien ist immens. Fast ein Viertel aller Halbleiter kommt aus Taiwan. Bei einer Invasion Chinas könnten zudem global genutzte Seewege abgeschnitten werden. Deutsche Firmen in Taiwan gingen trotzdem davon aus, dass die Wirtschaft in den nächsten drei Jahren weiterwachse und planten Investitionen, so Leonie Yang. Positiv werde auch die milliardenschwere Ansiedlung des taiwanischen Chipkonzerns TSMC in Dresden bewertet, um Lieferketten zu diversifizieren.

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